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Ein Tornado in Zeitlupe
13. September 2022
Ist es nicht schön, wenn sich auch mal etwas nicht ändert in der großen, weiten Online-Welt? Das jedenfalls scheint der Fall zu sein beim Thema E-Mail-Adressen: Alle zwei bis drei Jahre werten wir bei Publicare mehrere Millionen Adressen aus, die von deutschen Konsument:innen fürs Online-Shopping benutzt wurden – und alle Jahre wieder führen die gleichen (E-Mail-) Postfach-Anbieter in mehr oder weniger der gleichen Reihenfolge die Liste an (hier finden Sie die E-Mail-Studie 2019). Welche sozialen Plattformen und Messenger-Dienste genutzt werden, mag schnelllebigen Trends unterliegen — die Freemail bzw. E-Mail-Adresse aber wird nicht so leicht gewechselt. Das freut E-Mail-Marketer:innen, die viel Arbeit in die Pflege ihrer E-Mail-Verteiler und in die Darstellungsoptimierung ihrer Newsletter bei unterschiedlichen Providern und E-Mail Clients legen.
Allerdings gibt es eine klare Tendenz, die wir nun schon seit 2014 beobachten und auch 2022 wieder bestätigen können. Der E-Mail-Dienst-Markt wird heftig durcheinandergewirbelt – allerdings so langsam, dass man den Tornado erst sieht, wenn man die Zeitreihen über Jahre hinweg vergleicht.
80 % der Deutschen vertrauen auf die Top 5 E-Mail-Adress-Provider
Die fünf größten E-Mail-Dienste Deutschlands teilen unverändert circa 80 % des Marktes unter sich auf (2019: 81,4 %), allein die beiden führenden Mailbox-Anbieter United Internet mit seinen ähnlich starken Marken GMX und Web.de sowie Google vereinen 60,7 % des Marktes auf sich (2019: 58,6 %). Ab Rang 9 sinkt der Marktanteil schon auf unter 1 %, nämlich auf 0,6 % für die Mail.ru-Gruppe (2019 mit 0,5 % auf Platz 10).
Der Markt zerfasert sich dann extrem, weil es heutzutage kein Problem ist, sich eine eigene individuelle E-Mail-Adresse zuzulegen. Unsere Grundgesamtheit umfasst knapp 22 Millionen ausgewertete E-Mail-Adressen, die sich auf (großzügig gerundet) 1 Million (!) unterschiedliche Domains verteilt. Ganze 800.000 Domains kommen sogar nur ein einziges Mal vor, umgekehrt lassen sich knapp 4 Millionen der verwendeten Adressen (18,4 %) keinem der großen E-Mail-Postfach-Provider zuordnen.
Tausche Telekom gegen Google
Viel interessanter für E-Mail-Marketing-Betreibende ist, wie sich die Marktanteile bei den bekannteren Namen wie Telekom und Apple entwickeln. Hier lohnt sich der Blick zurück:
Die Deutsche Telekom war mit in unserer Auswertung 2014 noch auf dem zweiten Platz mit 11,2 % Marktanteil, Google nur auf Rang 5 mit mageren 6,2 %. Heute haben sie die Plätze getauscht: T-Online-E-Mail-Adressen stehen mit 4,7 % auf Rang 5, Google hat mit 28 % fast schon zum ewigen Platzhirsch United Internet aufgeschlossen. Das deutsche Unternehmen ist zwar noch die Nr. 1, aber der Gegenwind ist kräftig: Von 44,0 % in 2014, 41,7 % in 2016 und 37,2 % in 2019 sinkt der Marktanteil auf heute 32,6 %.
Maßgeblich für das stetige Wachstum von Gmail ist höchstwahrscheinlich die Verbreitung des Android-Betriebssystems, für das ein Google-Konto verlangt wird – womit der Schritt zur Google-Mail-Adresse quasi vollzogen ist. Da Gmail (weitgehend) werbefrei und kostenlos ist, spricht aus Sicht der Anwender:innen offenbar nicht viel dagegen, diese E-Mail-Adresse auch für das Online-Shopping zu nutzen.
Neuanmeldungen: Der Tornado wird sichtbar
Der für United Internet ungünstige Trend zeigt sich noch drastischer, wenn man nur die Adressen betrachtet, die im Jahr 2022 zur Neuanmeldung für Käufe im E-Commerce genutzt wurden: Hier liegt Google weit vorn mit 43,9 %, United-Internet-Domains bei nur noch 15 %.
Damit verschärft sich der Trend sogar, denn bei den Neuanmeldungen bei unserer letzten Untersuchung im Jahr 2019 lag Gmail „nur“ bei 36,5 %, United Internet noch bei 27 %. Dies bestätigt unsere Tornado-Theorie: Die turbulenten Verwerfungen bei den Neuanmeldungen werden in der Gesamtliste nur langsam sichtbar, weil Verbraucher ihre E-Mail-Adressen so lange nutzen.
US-Mailbox-Provider gegen den Trend?
Fast stabil geblieben ist nur Microsoft (9,1 %, 2019: 9,0 %), jedoch bei den Neuanmeldungen nur mit 4,9 % vertreten.
Ansonsten ist Apple der einzige Anbieter, der sich dem Negativtrend entziehen kann, wenngleich auf niedrigem Niveau: Apple mag im Mobilgerätemarkt der große Google- beziehungsweise Android-Konkurrent sein, bei den E-Mail-Konten aber nicht. 1,7 % Marktanteil 2022 gegenüber 1,0 % in der letzten Auswertung sind dennoch ein starkes Plus, sichtbar auch bei den Neuanmeldungen, wo Apple bei immerhin 3,9 % liegt. Vielleicht liegt das an den verbesserten Datenschutz-Optionen: Im Rahmen seiner Mail Privacy Protection bietet Apple verbesserte Sicherheitsfeatures wie „Hide my email“ oder temporäre iCloud-Wegwerf-Adressen, welche die E-Mail-Adresse maskieren – Marketer:innen können diese dann keiner Nutzerperson mehr zuordnen.
Freemail-Anbieter Yahoo, Freenet, AOL – nicht totzukriegen?
Noch ein Indiz für den „Tornado in Zeitlupe“ ist der nach wie vor merkliche Anteil von Yahoo- und AOL-Adressen (beide Verizon), obwohl AOL nicht einmal mehr Neuanmeldungen ermöglicht: Mit 5,4 % liegt der Anbieter auf dem 4. Platz. Auch Freenet liegt mit 2,1 % klar vor Apple und Vodafone (1,5 %) nur knapp dahinter.
Beim Blick auf die Neuanmeldungen wird aber klar, dass sich diese Anbieter nicht allzu viele Hoffnungen auf einen wachsenden Marktanteil machen dürfen: Hier liegt Verizon bei 1,2 % (nicht einmal ein Viertel des Gesamtwertes), Freenet bei 0,7 % und Vodafone bei 0,3 % – in absoluten Zahlen sind das noch 3102 Nutzer:innen aus unserem Neuanmelder-Datensatz von 1,2 Millionen, die 2022 eine neue Vodafone-Adresse zum Online-Shopping angegeben haben. Auch das bei den Neuanmeldungen fünftplatzierte T-Online sieht mit 2,0 % nicht wie ein Gewinner aus.
Auch Kuriositäten bieten Erkenntnisgewinn – manchmal
Unter den „ferner liefen“ E-Mail-Adress-Anbietern finden sich auch Provider, die in anderen Ländern eine größere Rolle spielen: bluemail.ch oder Yahoo Neuseeland. Die Adressen von Studierenden der Uni Heidelberg fanden wir genauso häufig wie die GMX-Fun-Adresse „@liebt-die-frau-seines-chefs.de“.
DE-Mail-Adressen, die für den sicheren Schriftverkehr mit Behörden genutzt werden, finden sich verständlicherweise sehr selten in den E-Commerce-Versandlisten (0,35 % der Adressbasis), aber dass es so wenige Domains mit Ortsnamen (0,01 %) oder Fun-Domains (0,17 %) in unserer Grundgesamtheit gibt, überrascht uns schon. Und auch Wegwerf/Trashmailer scheinen keineswegs ein Megatrend beim Online-Shopping zu sein: Nur 0,17 % der Adressen zählen dazu — aber hier haben gegebenenfalls die Online-Shops bereits bei der Erfassung der Adressen die Spreu vom Weizen getrennt.
Fazit
Setzt sich die Entwicklung fort, wird sich der Markt einerseits bereinigen: Kleinere Anbieter scheinen Neuanmelder:innen keine Angebote unterbreiten zu können, die eine Abkehr von den großen Providern rechtfertigen. Google und mit Einschränkungen Apple verdrängen langsam, aber sicher die anderen Anbieter vom Markt und sichern sich damit ein weiteres Kuchenstück aus der Wertschöpfungskette.
Ein Ende der Vielfalt ist vorerst dennoch nicht in Sicht, weil neben kleineren Anbietern abertausende Provider, Firmen- und Privatdomains für Abwechslung sorgen. Und wer weiß, vielleicht wird der nächste Tornado gerade entwickelt.
Methodik
Für diese Analyse hat Publicare 21,5 Millionen anonymisierte E-Mail-Adressen aus dem Bereich E-Commerce ausgewertet. Alle E-Mail-Adressen entstammen Kontaktlisten für deutsche B2C-Kampagnen aus dem Jahr 2022, die uns anonymisiert zu Auswertungszwecken zur Verfügung gestellt wurden. Bei der Auswahl der E-Mail-Adressen haben wir darauf geachtet, dass diese einen möglichst repräsentativen Querschnitt durch verschiedene B2C-Produktangebote und -Zielgruppen darstellen. Basis für die Auswertungen „Neuanmeldungen 2022“ waren 1.212.139 E-Mail-Adressen, die zur Neuanmeldung in B2C E-Commerce Mailverteilern im Jahr 2022 genutzt wurden. Die Zahlen wurden mit der gleichen Methode analysiert wie 2019. Vergleichszahlen für die Trendanalysen entstammen der Publicare E-Mail-Studie 2019, der Publicare E-Mail-Studie 2016 und der Publicare E-Mail-Studie 2014.