Die Publicare E-Mail-Studie 2014
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22. Januar 2015
Die Publicare eCommerce-Studie unter 1001 deutschen Online-Shops mit EHI- oder Trusted Shops-Siegel hat aufgedeckt, dass knapp 90 % der Shop-Betreiber auf das Double Opt-in-Verfahren zur Newsletter-Anmeldung setzen – und damit bis zu 50 % ihres E-Mail-Abonnenten- und damit Umsatzpotenzials vergeben. Muss das so sein?
E-Mail-Newsletter können das Stammkundengeschäft praktisch aller Online-Shops stützen – daher liegt es in deren Interesse, das Abonnentenpotenzial auszuschöpfen. Doch fast 90 % der Online-Shops, deren Newsletter-Anmeldeprozess Publicare im Rahmen der eCommerce-Studie 2015 untersuchte, vergeben durch Einsatz des Double Opt-in-Verfahrens zwischen 15 und 50 % ihres Abonnentenpotenzials – Letzteres ist nach unseren Stichproben-Interviews bei Shop-Betreibern die Rate der Abonnenten, die den Abo-Aktivierungslink in der Bestätigungsmail nicht klicken. Viele der betroffenen eCommerce-Firmen gehen dabei fälschlicherweise davon aus, dass das Double Opt-in-Verfahren gesetzlich geboten ist. Sie orientieren sich dabei am Mantra von E-Mail-Marketing-Experten, die vor dem Hintergrund zivilrechtlicher Entscheidungen ein Höchstmaß an Beweisbarkeit gegebener Opt-ins zum entscheidenden Kriterium erklären – und damit das Double Opt-in als alternativlos darstellen. Auch die Gütesiegel-Betreiber, die das Double Opt-in-Verfahren zur Vorgabe einer Zertifizierung machen (EHI) oder deutlich empfehlen (Trusted Shops), müssen sich fragen lassen, ob das tatsächliche rechtliche Restrisiko nicht in einem bizarren Missverhältnis zum sicheren Verlust von Umsatzpotenzial steht – und deshalb eine Neujustierung im Interesse von Shop-Betreibern und Nutzern dringend notwendig wäre: weg von angstgetriebener und hin zu chancengetriebener Marketingkonzeption.
Confirmed Opt-in: ein (häufig) kluger Mittelweg
Deutsche Shop-Betreiber gehen mit großer Mehrheit davon aus, dass das Double Opt-in-Verfahren im E-Mail-Marketing gesetzlich verpflichtend sei. Entsprechend fielen die Ergebnisse unserer eCommerce-Studie 2015 zu den Nutzungshäufigkeiten von Opt-in-Verfahren aus. Insgesamt haben wir die Opt-in-Verfahren von 786 Online-Shops ausgewertet, die ein offenes Newsletter-Abo anbieten, davon 212 mit EHI- und 657 mit Trusted Shops-Zertifikat. Von diesen nutzten 89,3 % das Double Opt-in-Verfahren. Erstaunlicherweise setzen mit 7,0 % fast doppelt so viele Online-Shops auf Single Opt-in wie auf Confirmed Opt-in (3,7 %). Gruppiert man die Online-Shops nach dem genutzten Gütesiegel, wichen die Verteilungswerte nur minimal voneinander ab. (Dies bedeutet im Übrigen auch, dass sich rund 11 Prozent der EHI-Kunden nicht an die bindenden Opt-in-Vorgaben ihres Gütesiegel-Betreibers halten.) Beim Single Opt-in erhält man keine Bestätigungsmail, während beim Confirmed Opt-in eine Bestätigungsmail verschickt wird. Allerdings enthält diese im Gegensatz zur Double Opt-in-Mail keinen Aktivierungslink, sondern bietet lediglich einen Abmeldelink für den Fall, dass der Abonnent es sich doch anders überlegt oder sich des soeben getätigten Abonnements nicht bewusst ist. Der entscheidende Unterschied – und aus unserer Sicht Vorteil – des Confirmed Opt-in gegenüber dem Double Opt-in liegt darin, dass die ursprüngliche Einwilligung ohne nochmalige Bestätigung gilt. Gegenüber dem Single Opt-in bietet das Confirmed Opt-in wiederum den Vorteil, mit der Bestätigungsmail das praktische Risiko „fahrlässiger” Werbe-Opt-ins bereits zum Entstehungszeitpunkt zu minimieren – ohne dass dies Abonnenten „kostet”. Kurzum: Die im deutschen eCommerce seltenste Opt-in-Methode balanciert die Aspekte der Rechtsrisiko-Minimierung und Umsatz-Maximierung klug aus. Warum fristet sie dann ein randständiges Dasein in Deutschlands Online-Shops?
Double Opt-in – ein teurer Freund
Rechtsprechung, Zertifizierungsrichtlinien, Versandplattform-Betreiber, Branchenverbände und Best Practices – alles scheint für das Double Opt-In-Verfahren zu sprechen. Doch das Gesetz gibt keine Vorgabe, welches Verfahren zur Anwendung kommen muss. Voraussetzungen für ein gültiges Werbe Opt-in für den Kanal E-Mail sind:
- Das Einverständnis muss aktiv durch den Nutzer erfolgen
- Das Einverständnis muss jederzeit – d. h. idealerweise in jeder werblichen E-Mail, die man erhält – widerrufbar sein – und zwar mit vertretbarem Aufwand und ohne Behinderungen
- Der sachliche Umfang des Einverständnisses muss klar ersichtlich sein, d.h. welches konkrete Unternehmen darf die E-Mails versenden und zu welchen Themen.
Grundsätzlich sind diese Forderungen auch mit einem Confirmed Opt-in abzudecken, bei dem der neue Abonnent nach der Anmeldung eine E-Mail mit der Bestätigung seiner Anmeldung erhält sowie mit einem Abmeldelink, falls er es sich doch wieder anders überlegt hat oder ein anderer seine Adresse missbräuchlich verwendet hat.
Relevant wird der Unterschied zwischen den verschiedenen Opt-In-Methoden erst, wenn ein Empfänger bestreitet, jemals ein Opt-In gegeben zu haben und sich daher die Frage der Beweisbarkeit stellt. Bei allen Opt-In-Methoden kann der Anbieter zunächst Angaben machen, wann, auf welcher Website und von welcher IP-Adresse aus das Opt-in gegeben wurde. Erst wenn der Newsletter-Empfänger danach immer noch bestreitet, das Opt-in erteilt zu haben, muss der Shop-Betreiber konkret nachweisen, dass der Empfänger persönlich das Opt-in gegeben hat – was technisch nur mit einem Bestätigungslink in einer gesonderten E-Mail möglich ist, d.h. mit einem Double Opt-In. Für einen erfolgreichen Nachweis verlangen die Gerichte jedoch sehr viel mehr als die von vielen Unternehmen praktizierte „Sparversion“ des Double-Opt-In-Verfahrens, bei dem ein erfolgter Klick auf den Bestätigungslink in der E-Mail lediglich durch ein entsprechendes „Flag“ in einer Datenbank dokumentiert wird (ggf. noch mit zusätzlicher Speicherung eines Zeitstempels und/oder der verwendeten IP-Nummer). Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Februar 2011 (Az. I ZR 164/09) erfordert der gerichtliche Nachweis einer Einwilligung vielmehr die „vollständige Dokumentation“ des Opt-In-Prozesses, was bei einem elektronisch erklärten Opt-In insbesondere die „Speicherung“ und vor allem „die jederzeitige Möglichkeit eines Ausdrucks“ der entsprechenden Website und der versandten Bestätigungs-Mail umfasst (die Richter des höchsten deutschen Zivilgerichts gehören ersichtlich zur Generation der „Internetausdrucker“). Den im damaligen Prozess angebotenen Zeugenbeweis eines Technikers für die ordnungsgemäße Implementierung und den Betrieb eines Double-Opt-In-Verfahrens hat der Bundesgerichtshof dagegen nicht als ausreichenden Beweis akzeptiert. Wenn es also tatsächlich einmal zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen sollte, werden viele Newsletter-Versender mangels entsprechender Dokumentation trotz DOI-Verfahren nicht in der Lage sein, die Beweisanforderungen der Rechtsprechung zu erfüllen.
Tatsächlich haben die meisten juristischen Streitigkeiten im E-Mail-Marketing ihren sachlichen Grund nicht darin, dass das Vorliegen des ursprünglichen Werbe-Opt-ins bestritten wird, sondern darin, dass Shop-Betreiber Abmeldungen nicht beachten – und die genervten Empfänger schließlich ihren Anwalt einschalten. Das passiert häufig, weil Abmeldungen etwa über Reply-Adressen nicht verarbeitet werden oder frühere Opt-outs von Empfängern bei einem Neuimport von Empfängerlisten fälschlich wieder mit Opt-ins überschrieben werden. Ebenfalls streitanfällige Konstellationen sind zu lange Pausen zwischen dem Versand von E-Mails (so dass die Empfänger inzwischen vergessen haben, dass sie – vor langer Zeit – tatsächlich einmal in den Empfang von E-Mails eingewilligt haben) oder schlecht formulierte Einwilligungserklärungen, bei denen z. B. die genaue Reichweite der Einwilligung unklar ist.
Die Frage ist nun, ob es nicht klüger wäre, die Hausaufgaben beim Reply- und Listenmanagement zu machen, um Empfänger nicht zu verärgern, statt von vornherein einen erheblichen Teil des geneigten Publikums durch ein umständliches Anmeldeprozedere quasi auszusperren und mit ihnen kein Bestandskundengeschäft zu machen. Hält man sich die entgangenen Umsätze vor Augen, erscheint Double Opt-in plötzlich als ziemlich teure Variante.
Usability: Warum klingelt der Newsletter zweimal?
Bei der Frage des Opt-in-Verfahrens stimmen Newsletter-Abonnenten mit den Füßen ab: Wenn im Extremfall die Hälfte den Anmeldeprozess nicht abschließt, obwohl sie bereits einmal Interesse dokumentiert hat, kann etwas nicht stimmen. Wie lässt sich also die hohe Double Opt-in-Verlustrate erklären? Unserer Meinung nach sind Double Opt-in-Bestätigungsmails nicht benutzerfreundlich. Zum einen zwingen sie Abonnenten, ihren Willen zwei Mal zu erklären – als wären sie nicht glaubwürdig oder ernst zu nehmen. Zum andern hat ein zweifaches Opt-in etwas Rigides an sich, das psychologisch zu einem Angst- bzw. Ablehnungseffekt beim Empfänger führen kann: Wenn ein Newsletter-Abo so „kritisch” ist, dass man dafür zwei Mal sein Einverständnis erklären muss, sollte man vielleicht doch lieber die Finger davon lassen – zumal man zum Zeitpunkt des Abonnements in der Regel noch nicht weiß, in welchem Maße man anschließend mit Werbe-E-Mails „zugemüllt” wird. Darüber hinaus kann die E-Mail auch schlicht als reine Bestätigung interpretiert und der Aktivierungslink überlesen werden.
Zertifizierer machen es sich zu einfach mit Double Opt-in
Aus Sicht der Zertifizierer (und auch der Versandplattform-Betreiber) ist die starke Bevorzugung des Double Opt-in-Verfahrens verständlich – über ein hartes formales und leicht überprüfbares Kriterium stellen sie sicher, dass nur die beweisbar „guten” Abonnenten in den Verteiler wandern. Allerdings stellt sich in der erweiterten Perspektive eines Gütesiegels die Frage, ob es für die „Güte” des E-Mail-Marketings – mithin für die gesamtheitliche E-Mail-Reputation – nicht weit gewichtigere Gradmesser gibt als ein irgendwann in der Vergangenheit geklickter Bestätigungslink für ein Werbe-Abo. So gibt es etwa für viele Unternehmen offenbar kein „Verfallsdatum“ für Opt-Ins. Auch wenn es seit Jahren keine Interaktion des Empfängers gibt, wird er weiterhin in hoher Frequenz mit Werbe-E-Mails bombardiert– davor schützt ihn heute kein EHI- und Trusted Shops-Zertifikat. Bevor also jemand bei der Diskussion um die Legitimität von Double oder Confirmed Opt-in die Qualitäts- oder gar Spam-Keule schwingt, sollte über ganz andere Fragen gesprochen werden. Nämlich über Fragen der Wünschbarkeit und Akzeptanz von E-Mail-Werbung.
Relevanz statt Penetranz – E-Mail-Marketing für Fans
Die große Mehrheit der deutschen Online-Shops gehört nicht zu Konzernen. Sie besteht aus Klein- und Kleinstunternehmen, manchmal nur von einer Person betrieben. Oft bieten die Shops ein ganz besonderes Nischensortiment an. Kunden, die dort einkaufen, sind in der Regel froh, dass es die Shops gibt, und freuen sich über Neuigkeiten aus der jeweiligen Produkt- oder Markenwelt. Die Kunst besteht nicht darin, ein Double Opt-in zu ergattern, um die Empfänger fürderhin mit gehäuften E-Mails einzudecken, sondern den Abonnenten mit Respekt auf Augenhöhe zu begegnen. Also: Inhalte zu bieten, die für sie mit großer Wahrscheinlichkeit interessant und damit relevant sind – und zwar in einer vernünftigen, nicht zu hohen Frequenz. Und durch fein austarierte Response-Messung länger inaktive Abonnenten mit alternativen Inhalten zu beliefern (Stichwort: Reaktivierung), die E-Mail-Frequenz herunterzufahren und – wenn auch dies beides nichts hilft – schließlich den E-Mail-Versand freiwillig einzustellen. Die Diskussion um Double oder Confirmed Opt-in löst sich aus unserer Sicht auf in die viel wichtigere Thematik: Wie kann ich durch großartige Newsletter meine Kunden zu Fans machen? Echte Fans gehen nicht zum Anwalt. Und wenn doch das berüchtigte „schwarze Schaf” auftaucht, das den Streit sucht – eine durchschnittliche Abmahnung kostet in der Regel deutlich unter 1.000 Euro. Aus Angst davor bis zu 50 % der gesamten Abonnentenbasis sausen lassen? Das muss jeder wohl nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten selbst entscheiden.
Foto: zettberlin / photocase.de
22. Januar 2015