Der Deutschen liebste Mail-Dienste
13. September 201610 Schritte zum erfolgreichen Kundennewsletter
20. Dezember 2016Leichter Opt-out – schwerer Schaden?
7. November 2016
Mit dem Update auf iOS 10 verbreitet sich die erste provider-unabhängige E-Mail-Anwendung, die den List-Unsubscribe-Header ausliest. Prominent platziert vor dem Absender und der Betreffzeile erleichtert der Link das Abbestellen von Newslettern. Bisher boten nur Gmail und Outlook.com einen eigenständigen Abmeldepfad für Werbe-E-Mails. Warum sich E-Mail-Marketer nicht vor stark steigenden Opt-out-Zahlen fürchten müssen, erklärt unser Artikel.
Auf dem Land gibt es sie noch heute: die kleinen Läden mit der steilen Treppe. Man öffnet die kleine quietschende Türe, wird von einem sehr freundlichen Lächeln empfangen – und kommt nie wieder raus. Wer seine Kaufentscheidungen lieber ungestört und ungezwungen trifft, betritt so einen Laden selten zweimal. Schon seit den Sechzigerjahren weiß man, dass sich breite Ein- und Ausgangsbereiche positiv auf das Einkaufserlebnis auswirken. Der Kunde fühlt sich weniger genötigt und kommt häufig wieder.
Dass leicht auffindbare Abmelde-Buttons die Anzahl der Newsletter-Abmeldungen erhöhen, können wir noch nicht belegen. Aber eines ist klar: kein E-Mail-Marketer muss sich vor dem prominent positionierten Abmelde-Link in E-Mail-Inboxen fürchten. Im Gegenteil: Versender sollten sogar sicherstellen, dass das List-Unsubscribe-Feature in ihren Mails auch eingeblendet wird.
Abmelden – die neue Komfort-Funktion im iOS 10 Mail-Client
Seit dem 13.09.2016 steht iOS 10 zur Installation bereit, die neue Betriebssystem-Version für Apples iPhone, iPad und den iPod touch. Mit an Bord ist ein Update des iOS-Mail-Clients. Dieser verarbeitet nun das Header-Field „list-unsubscribe“, generiert daraus einen Link und platziert ihn noch vor dem Titel der Mail.
Die Kopfzeile selbst ist gar nicht neu. List-Unsubscribe wurde im Jahr 1998 von Joshua Baer und Grant Neufeld im Zuge des RFC 2369 eingereicht (RFC steht für „Request for Comments“). Obwohl das RFC 2369 noch heute den Status „informational“ trägt, liefern namhafte ESPs Mailings mit dem List-Unsubscribe-Header aus, Tendenz steigend.
Die Liste der ISPs, die den Header verarbeiten, ist hingegen relativ kurz. Vor dem iOS-Mail-Client entschieden sich Outlook.com (früher Microsoft Windows Live Hotmail) und Google zum Generieren eines Unsubscribe-Links oder -Menüpunkts auf der Server-Seite.
List-Unsubscribe: ist http oder mailto wichtiger?
Die Kommando-Felder zum Abbestellen des Newsletters werden von der E-Mail-Marketing-Software in die Header-Section eingefügt.
Der List-Unsubscribe-Header kann in zwei Formen implementiert werden:
- als Mailto-Link: eine e-Mail an diese Adresse bestellt den Newsletter ab
Beispiel:
List-Unsubscribe: <mailto:xy-ab1cd2e3f4t3g6autey4pqc3vtk07g@sample.com> - als HTTP-Link: in der Regel wird ein Skript auf dem Server aufgerufen, das ggf. Parameter via GET-Methode erhält
Beispiel:
List-Unsubscribe: <http://mail.sample.de/profile/abmeldung_1click.jsp?tsp=1234567890123&custid=1234&uid=1234567890&sig=ABCDEFLDLOPJOJPKM&
for_mid=1234567890&mid=1234567890&gid=1234567890&wea=1234567>
Ob der Versender oder ESP besser einen Hyperlink zum Abmelde-Skript oder eine E-Mailadresse hinterlegen soll, war von Anfang an unklar. Joshua Bear und Grant Neufeld schreiben in der Einleitung des RFC 2369:
The content of each new field is typically a URL – usually mailto [RFC2368] – which locates the relevant information or performs the command directly. MTAs generating the header fields SHOULD usually include a mailto based command, in addition to any other protocols used, in order to support users who do not have access to non-mail-based protocols.
Gemäß RFC 2119 signalisiert das Keyword „should“, genau wie das Adjektiv „recommended“, dass auf die beschriebene Funktion verzichtet werden kann, jedoch nur unter sorgfältiger Abwägung der Gründe und Konsequenzen. Scrollt man jedoch zur Funktion „list-unsubscribe“, so steht da zu lesen:
The List-Unsubscribe field describes the command (preferably using mail) to directly unsubscribe the user (removing them from the list).
Im Gegensatz zur Formulierung in der Einleitung verwenden Bear und Neufeld hier kein fest definiertes Keyword, sondern „preferably“, also „vorzugsweise“.
Die Vorteile von Abmelde-Mails für die Empfänger liegen auf der Hand. Klickt ein Abonnent auf den Link zum Abmelden, so wird eine neue Mail an die im Header angegebene Adresse erstellt. Nach dem Versenden findet der Ex-Abonnent eine Kopie dieser Mail im „Sent“-Ordner wieder und kann sie zu Beweiszwecken archivieren.
Auch für die Anbieter von Webmail-Clients und Mail-Anwendungen hat Mail-basiertes List-Unsubscribe klare Vorteile. Denn auch in E-Mail-Header lassen sich Hyperlinks missbrauchen. So könnte die URL im List-Unsubscribe-Header zu einer Phishing-Seite oder einem virenbelasteten Download führen. Ist der Schadlink eingebettet in den E-Mail-Client, so vermutet der Nutzer die Verantwortung beim Mail-Anbieter. Deshalb implementieren der iOS-Mailclient und Outlook.com lediglich die mailto-Variante. Zunächst mit beiden Varianten gestartet, unterstützt Gmail mittlerweile ebenfalls nur noch das Abmelden via E-Mail – und der iOS-Mailclient ebenso.
Die Vorgaben der CSA sind für Google, Microsoft und Apple nicht relevant – sie sind keine Mitglieder.
Die CSA (Certified Senders Alliance) sagt zum Thema List-Unsubscribe:
2.20 […]. Die signierten Header müssen mindestens From, X-CSA-Complaints und list-unsubscribe umfassen.
2.21 In den Header der E-Mail muss ein list-unsubscribe Link (siehe RFC2369) eingefügt werden, wobei die ausschließliche Verwendung eines mailto-Links im Rahmen der CSA nicht zulässig ist. […].
Während der RFC-Standard und auch die großen ISPs für List-Unsubscribe die mailto-Variante bevorzugen, besteht die CSA zwingend auf einer Implementierung als HTTP-Link und degradiert mailto damit zum Nice-to-Have. Vielen ESPs und Versendern ist es allerdings schlichtweg nicht möglich, List-Unsubscribe via E-Mail vollständig und verlässlich anzubieten. Während das Routing von Massenmailings perfekt ausgebaut ist, hinken die Empfangsroutinen für Massenantworten hinterher. Ein zweiter Grund für das Vermeiden von List-Unsubscribe via Mail sind befürchete Performance-Einbußen durch steigenden Mailverkehr.
Im Jahr 2014 verzichteten in Deutschland 6 der 20 bekanntesten ESPs auf die mailto-Variante. Währenddessen implementieren in den USA alle vergleichbar beliebten ESPs das Abmelden via Mail, allerdings 9 von 20 nicht durchgehend.
Dabei ist die Verbreitung von Outlook.com, Gmail und der neuen iOS-Mail-App beträchtlich. Laut der Publicare E-Mail-Studie griffen 2014 ca. 50 % der US-User über einen Webmailer auf ihre E-Mails zu, der heute nur noch mailto-List-Unsubscribe unterstützt. Die aktuellen Zahlen aus Deutschland lassen bereits auf 30 % Marktanteil der gleichen Webmailer und der iOS-Mail-App schließen. Aktuell erhalten daher die Nutzer von Outlook.com, Gmail und dem iOS-Mail-Client viele Newsletter, in denen die neue Abmelde-Funktion nicht angezeigt wird und sie auf potentiell gefährliche Abmelde-Links zurückgreifen müssen. Dass sie die E-Mails stattdessen lieber in den Spam-Ordner verschieben, führt einen Eintrag in die CSA-Whitelist ad absurdum.
Bisweilen blendet man bei Outlook Abmeldelinks ein, leitet die Abmeldungen jedoch nur an vertrauenswürdige Versender weiter (erläutert in der Dokumentation zum Thema Junkmail, im Abschnitt „Abonnement kündigen“). Auch Gmail prüft die Vertrauenswürdigkeit.
Wann ist ein Versender vertrauenswürdig?
Ihre Reputation stärken Versender in erster Linie durch das Einhalten (allgemeingültiger) Standards. Wichtige Kriterien und Standards finden Sie hier:
Die großen ISPs haben interne Reputation-Scores entwickelt, in die sie verschiedenste Kriterien einbeziehen. Versender erhalten mit SNDS und den Google Postmaster-Tools Einblick in den eigenen Score.
Wird die neue Abmelde-Funktion angenommen?
Markieren tatsächlich weniger Leser einen selbst abonnierten Newsletter als Spam, wenn sie eine praktische Abmelde-Funktion erhalten? Publicare hat die Probe aufs Exempel gemacht und eine repräsentative Kampagne überprüft. Alle zwei Wochen erhalten neun Millionen reguläre Abonnenten diese Kampagnen-Mail. Wie wirkt sich das iOS 10-Update auf die Anzahl der Abmeldungen aus?
Zunächst überprüften wir die Anzahl der Abmeldungen und Complaints am 11.09.2016, zwei Tage bevor das iOS 10 Update verfügbar war. Der Anteil der List-Unsubscribes liegt zu diesem Zeitpunkt bei 3,37 % der Gesamtheit aller Abmeldungen. Abmeldungen via List-Unsubscribe und Complaints, z.B. durch Verschieben in den Spam-Ordner, liegen damit fast gleichauf.
Das Update eines millionenfach installierten Betriebssystems ist nicht an einem Tag vollzogen. Publicare geht davon aus, dass iOS 10 am 29.09.2016 bereits auf vielen Devices installiert war. Die Abmelde-Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: die Anzahl der Abmeldungen via List-Unsubscribe stieg auf 9,52 %. Nur 1,36 % der Abonnenten haben sich hingegen beschwert oder den Newsletter in den Spam-Ordner verschoben. Nach 14 Tagen waren 54% aller Apple-Devices auf iOS 10 umgestellt.* Die Experimentierfreude scheint etwas verflogen, aber der Anteil der List-Unsubscribes bleibt mit 7,98 % weit über dem Ursprungswert. Am 15.10.2016, rund vier Wochen nach dem Update, nutzen bereits 10,01 % der Abonnenten die neue Abmelde-Funktion, um den Newsletter abzubestellen.
Es lässt sich nur spekulieren, worauf die schwankende Anzahl der Complaints in unserem Test zurückzuführen ist. Denkbar sind Abonnenten, die den Newsletter trotz List-Unsubscribe erneut erhalten, zum Beispiel durch unzureichendes Monitoring.
Gefahr: List-Unsubscribes, die ins Leere laufen
Wer sich nicht sicher ist, ob die eigenen Kampagnen mit dem List-Unsubscribe-Header versehen sind, kann dies in der Detailansicht selbst prüfen. Ist der List-Unsubscribe-Header nicht enthalten, so muss das nicht bedeuten, dass der ESP diesen grundsätzlich nicht anbietet. Häufig gibt es in organisch gewachsenen Systemen durchaus Server, die den Header ausliefern. Ein interner Umzug bringt Kampagnen schnell auf den neusten Stand. Viele ESPs reduzieren sogar via VERP (Variable Envelope Return Path) die Anzahl nicht ausführbarer Abmeldungen durch weitergeleitete E-Mails.
Das Ausliefern des Headers alleine reicht jedoch nicht aus. Die angegebene Mail-Adresse muss in das Abonnenten-Handling eingebunden sein. Wer das Handling von Anmeldungen und Abmeldungen selbst übernimmt, muss diese Adressen zusätzlich zum Feedback-Loop und dem bisherigen Abmelde-Handling überwachen. E-Mail-Marketer, die den Opt-In und Opt-out Prozess am ESP vorbei über interne Systeme abwickeln, sollten aktiv werden und sicherstellen, dass über List-Unsubscribe und Spam-Complaints beim ESP aufgelaufene Abmelder in ihre Systeme eingepflegt werden. Ein Newsletterversand nach Abonnement-Kündigung erhöht nicht nur die Spam-Markierungsrate, sondern führt ggf. auch zu Blacklistings und kann schlimmstenfalls die Wettbewerbszentrale auf den Plan rufen. Im Gegensatz zum CAN-SPAM-ACT in den USA, der E-Mail-Marketern eine Reaktionszeit von 10 Tagen einräumt, hat eine Austragung in Deutschland unmittelbar nach dem Abmelden zu erfolgen.
Fazit: Abmeldezahlen steigen – günstig für die Deliverability
Wer sich in einem Ladengeschäft wohlfühlt, wird es nicht verlassen, nur weil der Ausgang unverstellt ist. Erst recht wird er es nicht boykottieren. Genauso ist die Gefahr, dass sich interessierte Abonnenten abmelden, weil der Abmelde-Prozess so schön einfach ist, eher gering einzuschätzen.
Ladenbesucher, denen das Ladenkonzept nicht gefällt, lassen sich mit Zwang und Tricks genauso wenig halten wie desinteressierte Abonnenten. Beide werden mit der Zeit ungemütlich und tendieren dazu, sich rufschädigend zu verhalten. Abonnenten, die sich nicht interessieren, senden keine positiven Signale und senken so mit der Zeit die Zustellbarkeit der Kampagne. Muss die Möglichkeit zum Abmelden aufwändig gesucht werden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Mail auch noch als Spam markiert wird.
Prominent platziert und eingebettet in den E-Mail-Client von iOS wird der Abmelde-Link positiver wahrgenommen als im Mail-Body. E-Mail-Marketer erhöhen mit einem korrekt integrierten List-Unsubscribe-Header nicht nur ihre Zustellbarkeit – sie senken langfristig auch die Schwellenangst vor dem erneuten Abonnieren. Denn wer den Newsletter jederzeit verlassen kann, bestellt ihn auch bei veränderter Interessenlage wieder.
Mit dem Abmelde-Link macht E-Mail-Marketing einen weiteren Schritt vom übereifrigen Krämer zum freundlichen Berater. E-Mail-Marketer, die mithalten wollen, sollten die Konfiguration ihres ESPs und ihr Abmeldungs-Handling schleunigst überprüfen.