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Warum Gated Content zum Bumerang für Marketing und Vertrieb wird
Relevanter Content ist pures Gold für das Marketing – aber leider auch mit entsprechenden Kosten verbunden. Weil Unternehmen für diese Investition gerne handfeste Ergebnisse in Form von Leads haben möchten, wird der Inhalt eingesperrt: Besucher sollen dafür mit ihren Kontaktdaten bezahlen. Dieses Prinzip des „Gated Content“ klingt wie ein fairer Tausch und ist vor allem im B2B-Bereich gang und gäbe, wo ein Lead viele tausend Euro wert sein kann. Nur leider machen nach unserer Erfahrung immer weniger Leute diesen „Deal“ mit, sodass Marketing und Vertrieb mit großem Aufwand ihre Interessenten vergraulen.
Aus Unternehmenssicht klingt es erst mal sinnvoll, wenn man seinen besten Content nicht einfach verschenkt, sondern im Gegenzug dafür hochwertige Leads erhält. Und ist es nicht ein faires Angebot, wenn Interessenten für nichts weiter als ihre Kontaktdaten das aufwändig erstellte Whitepaper kostenlos erhalten? Das Problem dabei: Aus Kundensicht klingt der Deal viel weniger attraktiv. Der Preis, die eigene Identität zu offenbaren, ist kein geringer – diesen zentralen Faktor unterschätzen viele Unternehmen. Gelernte Praxis aus Privat- und Berufsleben ist, dass die Herausgabe von Kontaktdaten Konsequenzen hat, die man zu diesem Zeitpunkt meist nicht will. Deshalb sehen wir in der Praxis unglaublich hohe Absprungraten, wo immer Gated Content verwendet wird – aus dem erhofften „Lead-Magnet“ wird ein „Marketing-Bumerang“.
Hauptsache Leads
Schauen wir uns das Ganze etwas genauer an. Unserer Erfahrung nach operieren die Mehrzahl der B2B-Firmen mehr oder weniger intensiv mit Gated Content, der auf der Website oder einer dedizierten Landing Page bereitgestellt wird, eindeutig der Leadgewinnung dient und mit SEO- und SEA-Maßnahmen beworben wird. In der Regel sollen Nutzer:innnen ihre Kontaktdaten in ein Formular eingeben, mit dem Versprechen, dadurch hochwertigen Content konsumieren zu dürfen. Das kann neben dem angesprochenen Whitepaper zum Beispiel eine Studie sein, ein Video oder ein Webinar. Optional oder verpflichtend kommt häufig noch eine E-Mail-Newsletter-Anmeldung dazu.
Warum tun Firmen das? Weil im Marketing häufig Leads gezählt werden als wichtigster KPI und weil man eben aus dem (organischen oder erworbenen) Traffic auf der Website solche signifikanten Kontakte gewinnen will, um sie mit weiteren Marketing-Maßnahmen zu füttern und/oder sie an den Vertrieb zur „Weiterbearbeitung“ durchzureichen. Zwar ist den Unternehmen meist bewusst, dass nur eine kleine Minderheit dieses Angebot annimmt – sie fischen quasi mit einem Netz mit sehr großen Maschen – aber sie sehen keine bessere Alternative und nehmen lieber einige wenige Leads mit als gar nichts.
Beispiel: Gated Content bei Hubspot.com – um das Ebook zu erhalten müssen Besucher:innen sich identifizieren und Auskunft zur Unternehmensgröße geben.
Die Angst vor dem Formular
Doch wo liegt das Problem – warum verschmähen so viele Leute das Angebot? Weil zunächst die Bereitschaft, Name, E-Mail-Adresse und eventuell weitere Daten (bis hin zu „Haben Sie ein Budget?“) anzugeben, extrem gering ist und unserer Ansicht nach tendenziell abnimmt. Dies gilt für B2B und B2C gleichermaßen. Die Vorstellung aus dem Content Marketing ist es, dass bei hohen Investitionen ein langer Entscheidungsprozess stattfindet, den die Firma mit hochwertigem Content begleiten kann. Das ist an sich auch richtig: Nicht nur, doch besonders im B2B ist es normal, eine lange und intensive Orientierungs- und Recherchephase zu durchlaufen.
Aber: Interessent:innen möchten sich in dieser Phase nicht von an einem bestimmten Anbieter „füttern“ lassen und sind (noch) nicht bereit, sich irgendwo zu registrieren. Sie wollen zunächst die relevanten Anbieter für das Thema identifizieren, Erfahrungen und Tests zurate ziehen und den eigenen Bedarfshorizont schärfen. In diesem Entscheidungsprozess können Whitepaper oder Webinare durchaus hilfreich sein. Die Alltagserfahrung ist aber, dass es qualitativ hochwertigen Content auch kostenlos gibt. Dazu gehören nutzergenerierte Inhalte, Tests und Vergleiche. Von einem möglichen Anbieter wird erwartet, dass man Orientierung und Informationen erhält, ohne dass man sich „committen“ muss und (oft zu Recht!) befürchten muss, mit E-Mails oder Vertriebsanrufen bombardiert zu werden. Außerdem ist man aus leidvoller Erfahrung gewohnt, dass der beworbene hochwertige Content oftmals enttäuscht: Das Factsheet bietet wenig Neues, das Whitepaper ist einseitig, das E-Book eine bessere Werbebroschüre. Vor diesem Hintergrund möchte man nicht den bürokratischen Aufwand eines Formulars über sich ergehen lassen und die verbindliche Transaktion „Identität gegen unbekannten Inhalt, dessen Wert ich erst hinterher beurteilen kann“ eingehen.
Gated Content sperrt Besucher aus
In Summe fehlen das Vertrauen und auch die Notwendigkeit, auf den „Gated-Content-Deal“ einzugehen. Es braucht ein starkes Indiz, dass der Content wirklich absolut nützlich ist oder sonst nur gegen viel Geld erhältlich, etwa kostenpflichtige Studien renommierter Marktforschungsinstitute. Gated Content ist nicht per se schlecht, nur führt die Nutzererfahrung zu hoher Skepsis und daher ist nur ein sehr geringer Teil der Leute, die das „Gate“ zu sehen bekommen, bereit, aus der Anonymität herauszutreten (oder sie machen bewusst verschleiernde Angaben ). Und genau darin besteht das für uns entscheidendste Problem von Gated Content: Die allermeisten Besucher kommen mit dem Inhalt niemals in Kontakt, sondern machen stattdessen eine negative Nutzererfahrung. Marketing und Vertrieb erstellen also teuren Content und hindern dann gezielt Besucher (die also ein gewisses Interesse haben dürften), sich weiter mit dem Unternehmen und seinem Angebot zu beschäftigen – kurz: die „Zäune“ sperren nicht den Content ein, sondern die Kunden aus. Und noch etwas wird ausgesperrt, nämlich die Crawler von Google und Co., die Content hinter der Schranke nicht indizieren können. Somit zahlen gerade die aufwendigsten und relevantesten Inhalte nicht auf Suchmaschinen ein.
Alternative Strategien zu Gated Content
Wie dargelegt, kann Gated Content funktionieren – solange der Inhalt relevant und möglichst einzigartig ist. Das ist leicht gesagt, denn wirklich guter Content ist unglaublich aufwendig (und bald veraltet, sodass er ständig neu hergestellt werden muss). Gleichzeitig soll nutzwerter Content möglichst neutral sein und nicht penetrant auf Leadgewinnung abzielen. Und für eine „Nurturing“-Strategie im Sinne einer Leadgenerierungsstrecke gilt das für jedes Content Piece! Das heißt: Aufwand und damit Kosten sind riesig. Die Frage ist, ob Personal, Zeit und Budget an dieser Stelle optimal eingesetzt sind, denn diese Ressourcen fehlen zwangsläufig, um frei verfügbaren „ungated“ Content herzustellen, etwa Blogartikel, die Traffic generieren.
Unsere Empfehlung ist es, in der Content-Marketing-Strategie Inhalte zu entwickeln, die zur organischen Auffindbarkeit beitragen; Inhalte, die man sowohl an bekannte Kontakte versenden kann, als auch auf einer Landingpage für Interessenten einbinden kann. Content also, der mehrfach nutzbar ist und sich gegenseitig verstärkt, ohne dass der Nutzer in einer Sackgasse oder vor einem verschlossenen Tor steht. Das bedeutet, den gesamten Content (bis auf wenige Ausnahmen) zu „verschenken“. Statt mit Kontaktdaten zahlen Interessenten dann mit längerer Verweildauer auf der Website, durch SEM mit höherem Traffic, durch mehr Interaktion mit Newslettern und Promotions etc. Guter Content aktiviert bestehende Leads für das Cross- und Upselling und steigert die Kundenbindung – als E-Mail-Marketer wissen wir ja genau, wer unseren Content konsumiert! (In welchen Use Cases und Kanälen Marketer auf Formulare verzichten können, können Sie im Beitrag „Lead-Qualifizierung ohne Hürden“ nachlesen)
Besucher:innen in Ruhe lassen – und identifizieren, ohne zu nerven
Und wenn wir es nicht wissen? Was ist mit den „bösen Besuchern“, die einfach mitnehmen was geht und dabei anonym bleiben? Das macht gar nichts, es ist sogar gut so. Denn wie oben geschildert dauern Entscheidungsprozesse mitunter sehr lange und jeder Kontaktpunkt ist positiv zu werten. Zumindest hat die/der Besucher:in schon mal von uns gehört und eine positive Erfahrung gemacht. Vielleicht kommt sie oder er in einem halben Jahr wieder. Und falls das Angebot einfach nicht gut genug oder passgenau war, bringt es (meistens) auch nichts, mit Marketing-E-Mails oder Vertriebsanrufen Druck auszuüben. Das ist wie im Apple Store: Es kommt nicht darauf an, dass jede:r Besucher:in direkt ein iPhone kauft – wichtig ist, dass die Marke präsent ist und mit einem guten Gefühl verbunden wird, sobald der Bedarf an einem neuen Telefon aufkommt.
Außerdem gibt es eine sehr gute Alternative zu Formularen, um Besucher aus der Anonymität zu holen: Die Lead-Erkennung. Vernünftige Tools zur Websitebesuchererkennung gibt es mittlerweile einige . Damit lassen sich etwas 15 bis 25 Prozent der Firmen erkennen, von denen Mitarbeiter:innen auf unserer Website waren. So können wir hervorragend messen, wie interessiert jemand an unserem Angebot ist, ohne User zu belästigen: Welche Besucher lesen sich unseren höherwertigen Content durch? Wer liest was in welcher Tiefe? Lohnt es sich für den Vertrieb, mit dieser Firma in Kontakt zu treten? Eindeutige Nutzer erhält man mit dieser Methode zwar nicht, aber im B2B entscheidet häufig ein Buying Center aus mehreren Personen, sodass der konkrete Kontakt oftmals nicht entscheidend ist. Wichtiger ist, was man mit den erkannten Besuchern macht, um sie als Lead zu qualifizieren .
Fazit: Freiheit für den Content – mit Ausnahmen
Ein Unternehmen, das mir echte Orientierung gibt, das mir hilft, anstatt mich zu bedrängen, das mich nicht überreden und überzeugen will, sondern wo ich mich in Ruhe umschauen kann, solch ein Unternehmen gewinnt an Attraktivität.
Darum sollte Gated Content nur genutzt werden, wo der Content auch wirklich ein einzigartiges Must-have ist – hier sollte man sich ehrlich eingestehen, dass das nur in den seltensten Fällen zutrifft. Auch für Prozesse, die eine Transaktion voraussetzen, ist natürlich ein Registrierungsformular vollkommen in Ordnung. Das kann die Einrichtung eines Demoaccounts sein, eine Terminvereinbarung oder die Anmeldung zu einem Live-Webinar. Das verstehen auch die Nutzer:innen (noch besser ist es, wenn man es ihnen erklärt: „Bitte geben Sie Ihren Namen ein, damit wir Ihnen einen Besuchsslot auf der Messe ohne Wartezeit reservieren können.“)
Stattdessen empfehlen wir, guten Content frei verfügbar anzubieten und ihn bestmöglich zu nutzen. Bauen Sie modulare Content Pieces, zum Beispiel Blogposts mit Longtail-Keywords statt riesiger monolithischer Stücke (dreißigseitige PDFs zum Ausdrucken sind nicht mehr zeitgemäß). Nutzen Sie dazu das Wissen im Unternehmen, fragen Sie Ingenieure und Kundenberater, was die Kunden interessiert. Verknüpfen Sie die Inhalte intern und extern mit Related Content und nutzen Sie sie auf Social Media und für Suchmaschinenmarketing sowie fürs E-Mail-Marketing. Falls Sie Webinare anbieten, stellen Sie diese ebenso „ungated“ als On-demand-Aufzeichnung bereit – und drehen Sie den Registrierungsprozess um, indem Sie am Ende des Webinars ein Formular integrieren, wo man sich in eine Benachrichtigungsliste eintragen lassen kann für das nächste Webinar. Das gilt natürlich nicht nur für Webinare, sondern für jegliche Content Pieces. So lassen sich weiter Leads einsammeln, ohne dass zögerliche User verprellt werden.
Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie Sie im Digitalmarketing einzelne Elemente stufenweise verknüpfen, empfehlen wir Ihnen die (natürlich „ungated“) Videoaufzeichnung eines Vortrags unseres Geschäftsführers Robert Harnischmacher.
Zum Abschluss stellen Sie sich einmal Frage: Hätten Sie für diesen Artikel gerne Ihre Kontaktdaten an Publicare GmbH gegeben? Oder ist es angenehmer, dies nicht tun zu müssen und hier lediglich ganz freiwillig mit uns in Kontakt treten zu dürfen, wenn Sie noch weiteren Gesprächsbedarf haben? Wir stehen jedenfalls für Ihre Fragen zur Verfügung!